Getreidefreie Ernährung?

Durch unsere jahrelange Erfahrung, können wir nur bestätigen, dass es ganz ohne Getreide in der ganzjährigen Aussenhaltung nicht geht. Kaninchen sowie Meerschweinchen verbrauchen einfach zu viel Energie, wenn sie in einem großen gut strukturierten Gehege in einer gemischten Gruppe leben.

Nachstehend ein interessanter Artikel von Frau Ruth Morgenegg.

Getreide für Kaninchen?
von Ruth Morgenegg


Immer wieder ist zu lesen, dass Kaninchen nicht mit Getreide gefüttert werden sollten. Viele Tierfreunde schenken dieser Theorie Glauben. Deshalb sehen wir dieser Tage in unserer Praxis zusehends mehr ausgemergelte Tiere und kaum mehr verfettete. Wie so oft steckt aber auch bei dieser Theorie der Teufel im Detail.

Dickdarmverdauer

Pferde und Kaninchen verfügen über die selbe Art von Verdauungstrakt, beide sind Dickdarmverdauer, d.h. die Verdauungsflora, die das Futter aufschlüsselt, ist im Dickdarm angesiedelt. Beide Tierarten haben nur einen kleinen Magen und müssen den ganzen Tag fressen können.

Wissenschaftlich abgestützte Richtlinien helfen Pferdebesitzern die optimale Fütterung für ihre Tier zu finden. Meist ist es eine gezielte Kombination von Rau- und Kraftfutter, wobei zweiteres Getreide oder Mischfutter sein kann. Diese Form der Fütterung bewährt sich seit langem, obwohl Getreide auch vom Pferd mangels bestimmter Enzyme nicht optimal verdaut wird.

Zu energiereiche Weiden
Pferde pflegten sich in freier Wildbahn praktisch nur von Gras zu ernähren, während sie sich ganztags langsam fortbewegten. Diese Ernährungsform ist heute aus verschiedenen Gründen nicht mehr möglich und auch nicht mehr sinnvoll. Sport- und Arbeitspferde beispielsweise könnten ihren Energiebedarf so nicht decken. Für Pferde mit wenig Bewegung allerdings wäre diese Ernährung schon zu energiereich, weil die heutigen Weiden deutlich nährstoffreicher (mehr Kohlenhydrate und Eiweiss) sind, als sie es früher waren. Eine individuelle und gezielte Fütterung ist daher unumgänglich. Ähnlich ist die Situation beim Kaninchen.

Getreide für den Winter

Empfehlungen im Internet - meistens aus Deutschland stammend - sind sehr widersprüchlich. Es werden allgemeingültige Regeln aufgestellt, was für Lebewesen kaum je sinnvoll ist, weil sie keinerlei Individualität berücksichtigen.

Bei Kaninchen können wir uns – zumindest im Moment - noch nicht auf wissenschaftliche Erhebungen abstützen. Allerdings steht fest, dass sie auch in der freien Natur Getreide fressen, um sich die nötigen Fettreserven für den Winter zu beschaffen.

Wir schliessen daraus, dass es auch beim Kaninchen darum geht, die richtige Kombination für die Fütterung zu finden. Je nach Energiebedarf des Tiers macht deshalb die Gabe von Getreide - in Massen wohlgemerkt - Sinn. Wie wir Menschen verfügen auch Tiere innerhalb einer Art über verschiedene Konstitutionen. Zudem hat ein Tier in einem grossen Gehege mit Artgenossen und viel Kontaktstimulation einen ganz anderen Energiebedarf als eines, das den ganzen Tag in seinem Käfig sitzen muss.


Mein Buch ist in erster Linie mit Blick auf die ganzjährige Aussenhaltung geschrieben worden. Und dort rate ich dringend von einer getreidefreien Ernährung ab.

Anstatt von immer wieder neuen – oft wenig differenzierten - Theorien sollten wir uns deshalb vom gesunden Menschenverstand und unseren eigenen Beobachtungen leiten lassen. Auch wir essen im Sommer nicht Speck mit Bohnen, sondern eher leichte Kost.

Zweitmeinung

Selbstverständlich haben wir unsere Einschätzung mit jener einer Kapazität auf diesem Gebiet verglichen und deshalb mit Prof. Dr. Mayer Kontakt aufgenommen. Er ist leitender Arzt im Akutspital und Ausbildner für Heim- und Zootiere an der Tufts University/USA. Erstaunlicherweise hat Prof. Dr. Mayer von einer getreidefreien Ernährung für Kaninchen noch nie etwas gehört. Er kann diese Theorie auch nicht unterstützen und ist sich mit uns einig, dass es eine Frage der Menge ist.

Fazit

Beim genauen Lesens meines Buches weichen unsere Meinungen nicht stark voneinander ab:

Fütterungsumstellungen sollten sehr langsam – über Wochen – erfolgen. Fütterungsreihenfolge einhalten, Heu am Morgen als erstes in grossen Mengen
Getreide nur bei Aussenhaltung im Winter, bei untergewichtigen Tieren, kranken Tieren oder ansonsten erhöhtem Bedarf.
Immer wieder, mindestens täglich einmal neue Äste, Wurzeln und frisches Heu animieren die Tiere zum Kauen und Bewegen. So werden Zähne abgewetzt; Blähungen und Verdauungsstörungen wird vorgebeugt.

Als wir vor zwanzig Jahren begannen, unsere Erfahrungen und Ansichten zu verbreiten, ging ein Aufschrei durch die Szene. Wir wurden angeschossen, weil wir die Tiere ganzjährig in Gruppen im Freien hielten, weil wir viel Grünfutter verabreichten und weil wir von Pellets und ‚Goodies’ abrieten. Heute hat sich das Pendel ins andere Extrem geschwenkt. Es wird alles krampfhaft mit ‚Natürlichkeit’ erklärt. Es gibt immer noch Leckerli. Heute sind es einfach getrocknete Früchte, Feigen etc. Stellen Sie sich den Zuckergehalt vor! Aber man darf kein Getreide mehr füttern, weil es den Tieren schaden soll. Die gleichen Leute behaupten, dass Wildkaninchen im Herbst Getreide fressen, um sich Winterreserven anzufressen. So schädlich kann es also nicht sein. Aber diese Diskussion könnte beliebig fortgesetzt werden.

Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Die Natur verträgt viel. Ein bisschen Ungesundes schadet der Gesundheit noch lange nicht. Es ist, wie gesagt, eine Frage der Menge. Wir kennen das doch auch: Gibt es etwas Ungesünderes als ein Stück Schokoladekuchen mit Schlagsahne? Es gibt aber auch nichts Besseres, und ein Stück hat noch keinem geschadet. Wir haben in der Nagerstation über zwei Jahrzehnte bewiesen, dass Getreide in einem Verüftige Masse verabreicht, keinen Schaden anrichtet. Die Menge muss allerdings in jedem Fall individuell bestimmt werden. Es gibt keine allgemeingültigen Rationen. Zudem ist die Fütterungsreihenfolge von zentraler Bedeutung.

Man muss auch aufpassen, dass man sich nicht auf kleine Details fokussiert und muss das Ganze im Auge behalten. Tiergerechte Haltung besteht nicht nur aus Fütterung, sondern auch Kontaktstimulation, Bewegung, Sozialkontakt, Nagemöglichkeiten. Die Summe ist wichtig. Die Futteranbieter im Internet haben einfach eine neue Kommerzwelle entdeckt. Der Trend auf ‚natürlich’ scheint unaufhaltbar und unter diesem Motto ‚natürlich’ wird jetzt alles Mögliche und Unmögliche zu unnatürlichen Preisen angeboten.

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